german version |
Ralf Waneks Kunst ist
eine Analyse heutiger Bildwelten und ihrer Auswirkungen auf unsere Wahrnehmung.
Die Grundlagen für Waneks Arbeiten sind digitale Fotografien. Im wesentlichen
lassen sich die Arbeiten, mit denen der Künstler zu einer Untersuchung
des zeitgenössischen Bildbegriffs gelangt, in zwei Gruppen unterteilen.
Diese zwei Gruppen werden "Known" und "Unknown" betitelt. Bei "Known"
dient, wie Wanek selbst schreibt, als Ausgangsbasis für eine Weiterverarbeitung
"ein digitales Bild einer mir bekannten Person, mittels Digitalkamera
selbst aufgenommen". Bei "Unknown" sind es jeweils Details einer pornografischen
"Abbildung eines anonymen und mir völlig unbekannten Menschen aus dem
Internet in Form einer Bilddatei". Dabei gibt es verschiedene Serien:
etwa nur Gesichter oder nur Hände auf weiblichen Genitalien. Diese digitalen
Bilder werden dann jeweils digital weiter bearbeitet und mit einem herkömmlichen
Inkjet-Drucker auf A4 Papier gedruckt. "Diese Zwischendrucke werden dann
in einer Art Frottagetechnik auf das eigentliche, vorher speziell bearbeitete
Papier aufgebracht. Die Zwischendrucke werden dabei zerstört, wodurch
aus der digitalen unendlich reproduzierbaren Bildvorlage ein Original
wird", so Wanek. Schon dieser Ansatz des Künstlers verweist auf ein wesentliches
Prinzip, das die von einer Flut an Bildern gekennzeichnete heutige Realität
ausmacht. Eine zentrale Thematik der Arbeiten ist zweifellos das Bild
des Menschen im digitalen Zeitalter. Doch Wanek thematisiert auch die
Hintergründe, die zu dieser Thematik führen. Die Bilderserien "Unknown"
und "Known" sind dabei zwei Ausformungen des selben Prinzips. Durch ihre
anscheinend gegensätzlichen Ausgangspositionen, die aber die selbe technische
Bearbeitung durchlaufen und so zu einem originalen Endprodukt werden,
macht Wanek den Umstand, dass privates und öffentliches immer mehr in
einander übergeht, zu einem grundsätzlichen Ausgangspunkt seiner Arbeit
und verweist damit auch auf eine Folge der massenmedialen Konstruktion
von Realität. Außerdem thematisiert der Künstler durch die serielle Ordnung
seiner Arbeiten einen anderen wesentlichen Eckpfeiler für diese Realitätskonstruktion
durch die Medienmaschine. Bilder stehen heute dabei immer mehr für die
Repräsentation von Realität. Die Bilderflut und die visuelle Kraft der
Bilder sind viel stärker als textorientierte Information. Repräsentation
ist in diesem Zusammenhang quasi die Aufladung eines Bildes mit symbolischen
Werten. Ex negative zeigt Wanek mit seinen Arbeiten, die so etwas sind
wie eine Suche nach Möglichkeiten für ein Bild per se, dass es heute so
etwas wie ikonographische Systeme gibt, die überall in der westlichen
Welt ziemlich ähnlich sind. Es ist umfassend bekannt, dass in der Werbung
für ein Produkt und seine Qualitäten sehr oft mit Bildern gearbeitet wird,
die eigentlich für etwas anderes stehen und dem jeweiligen Produkt eine
Art symbolischen Mehrwert geben sollen. So stehen etwa Sprudelgetränke
selten für Erfrischung, vielmehr für Freiheit, Jugendlichkeit, sexuelle
Kraft oder soziale Zugehörigkeit zu einer Gruppe, beziehungsweise eine
Möglichkeit zur Abgrenzung von anderen Gruppen. Diese Bildwelten, auch
wenn sie immer wieder extra für einen Markt (und seine kulturellen oder
sozialen Besonderheiten) zu recht geschneidert werden, sorgen auch dafür,
dass sich internationale Märkte etablieren konnten. Und sie sind Symptom
für ein in einander übergehen von realen und symbolischen Werten und imaginären
Welten. Dabei sind viele Bilder Ausformungen des selben symbolischen Kapitals.
So dass sich die Frage nach Original und Kopie bei einem Bild kaum mehr
eindeutig klären lässt. Zusätzlich verschärft wird dieser Umstand durch
die digitale Technik. Hier setzt Waneks Kunst an. Der Künstler thematisiert
die Dekonstruktion der Repräsentation von (auch symbolischer) Wirklichkeit,
die mit der Digitalisierung einher geht. Denn es ist eine der wesentlichen
Folgen der digitalen Fotografie, dass heute nicht mehr eindeutig zu sagen
ist, was denn eigentlich ein Bild ist. Ein Bild ist längst nicht mehr
ein Symptom für einen verweisenden Zusammenhang von Symbolischem oder
Imaginärem auf einen Ausschnitt der Realität. Die Relation von Realität
und dem Foto als einem ausschnitthaften "Beweis" davon ist mehr als fragwürdig
geworden. Ein Bild ist, wie es Florian Rötzer einmal ausgedrückt hat,
heute eine Tür in eine immaterielle Welt von Daten. Das führt auch dazu,
dass die Grenzen zwischen haptischer Realität und ihrer Darstellung, ebenso
wie zwischen der "realen" Welt und der Welt der Zeichen immer mehr verfließen.
Zu diesem grundsätzlichen Problem der Fragwürdigkeit der Abbildung von
Realität, das es nicht erst seit der digitalen Fotografie gibt, kommt
außerdem ein weiterer Faktor, der für das Verständnis der Arbeiten von
Wanek von zentraler Bedeutung ist. Wissen rekurriert heute nicht auf mehr
oder weniger obsolete Inhalte, sondern auf Information, auf die Digitalisierung
der Welt. Dass Dinge deshalb selbst Zeichenhaftigkeit sind, deren Substanz
im Verweisen begründet ist, ist ein Thema, das in der Kunst Waneks eine
große Rolle spielt. Mit dieser ontologischen Zeichenhaftigkeit der Dinge
einher geht auch eine Auflösung der Grenzen zwischen Physis und Logos,
die unsere heutige Welt und die Wahrnehmung davon determiniert und repräsentiert.
Auch diese Problematik thematisieren die Arbeiten von Wanek, der durch
seine Arbeitsmethode digitale Information zu Material werden lässt. Denn
trotz dieser Verweisungszusammenhänge werden wir natürlich von Bildern
geleitet. Muss die Kognition davon ausgehen, dass Bilder so etwas wie
ein Verweis auf eine Realität sind. Ein damit zusammenhängendes Problemfeld
ist: wenn wir ein digitales Bild "betreten", können wir darin, wie in
der dreidimensionalen Welt herumwandern und wir können es verändern. Die
Trennung zwischen Bild und Realität scheint durch die Digitalisierung
vollends aufgelöst. Wanek reagiert auf diesen Umstand und geht noch weiter.
Er führt ein digitales Bild noch einmal in die materielle Realität. Und
Wanek thematisiert eine der Auswirkungen davon. Nämlich die Frage, ob
Bilder ihre Funktion durch Beziehungen auf andere Bilder oder auf die
"Realität" erlangen. Und er gibt richtigerweise keine eindeutige Antwort
auf diese Frage. Vielmehr zeigt er, dass es auf diese Frage auch keine
eindeutige Antwort gibt. Dass beide Möglichkeiten einander bedingen und
eine eindeutige Trennung zwischen "realem Hintergrund" für eine bildliche
Darstellung und ihrer Einbindung in ein Netzwerk aus (symbolischen und
realen) Verweisungszusammenhängen dabei nicht möglich ist. Franz Niegelhell
©Franz Niegelhell
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english version |
Ralf Wanek's art is an analysis of nowadays picture-worlds and their effects on our perception. The basis for Wanek's works are digital photographs. Essentially, the works the artist reaches with an examination of the contemporary picture-concept can be subdivided into two groups. These are "known" and "unknown". In the case of "known", like Wanek writes, the base for further processing is "a digital picture of a person known to me, photographed with a digital camera by myself." Referring "unknown" these are details of pornographic "illustrations of an anonymous and absolutely unknown person taken from the internet in the form of a picture file." There are two different series: in some cases only faces or sometimes only hands on female genitals. These pictures are processed further digitally and printed on a common inkjet-printer, format A4. "These interim prints are put on special treated paper in a kind of frottage-technique. The interim prints are destroyed during this processing, from the digital, infinite reproducible picture pattern an original is born", Wanek states. Even this artist's extension refers to an essential principle which makes today's reality characterized by a flood of pictures. A central theme of the works undoubtedly is the picture of the human being in the digital age. But Wanek also takes as a theme the backgrounds leading to this theme. In this process the picture series "unknown" and "known" are two shapings of the same principle. Through their seemingly opposite starting positions which pass through the same technical processing and become an original end product, Wanek makes the circumstance that private and public are merging more and more to a fundamental starting point of his work and with that he also refers to a consequence of mass media construction of reality. Besides that he takes as a theme another fundamental corner-stone for this construction of reality by the media machine through the serial order of his works. Today pictures more and more stand for the representation of reality. The flood of pictures and the visual power of pictures are much stronger than text-orientated information. In this context representation is the charging of a picture with symbolic values. "Ex negative" Wanek shows with his works which are something like a search for possibilities for a picture "per se" that there is existing something like iconographic systems which are quite similar all over the western world. It is known extensively that in advertising for a product and its qualities there are often used pictures which actually present something different and shall give the product a kind of symbolic surplus value. For example sparkling drinks seldom stand for refreshment, but for freedom, youth, sexual power or social membership in a group and the possibility of differentiation from other groups, respectively. These picture worlds - even if they are done up for a special market (and its cultural and social distinctive features) - also provide the establishment of international markets. And they are symptom for a merging of real and symbolic values and imaginary worlds. In that process many pictures are shapings of the same symbolic asset. So that the question about original and copy of a picture hardly can be clarified. Additionally this circumstance is being intensified by digital technique. This is where Wanek's art starts. The artist takes as a theme the deconstruction of representation of (also symbolic) reality which is accompanied by digitalizing. Because it is one of the essential consequences of digital photography to identify hardly the original and the copy. Today a picture is far from being only a symptom for a referring context of symbolic and imaginary to a part of reality. The relation between reality and the picture as a "proof-part" of it has become more than questionable. "Today a picture is", according to Florian Rötzer, "a door into an immaterial world of data." This also leads to the merging of haptic reality and its representation and between the "real" world and the world of symbols. An additional factor to the essential problem of this questionableness of reproduction of reality - which has not only been known since the beginning of digital photography - is of central significance for the understanding of Wanek's works. Today knowledge does not refer back to more or less obsolete contents, but to information, to digitalizing of the world. That things themselves are symbols whose substance is based on referring is one theme which is very important in Wanek's art. This ontological symbolism of things is accompanied by a resolution of the borders between physis and logos which determines and represents our today's world and its perception. This problematic nature Wanek's works also take as a theme; through his method of working digital information is becoming material. And in spite of these referring connections we are lead by pictures. The cognition has to take as a starting point that pictures are something like a reference to reality. One relating problematic field is: if we "enter" a digital picture, we can wander there like in the three dimensional world and we can change it. The separation between picture and reality seems to be resolved totally by digitalizing. Wanek reacts to this circumstance and goes further. Once more he leads a digital picture into material world. And Wanek takes as a theme one of the consequences. Namely the question whether pictures obtain their function by relationships with other pictures or with "reality". And correctly he does not give a definite answer. On the contrary, he shows that there is no definite answer to this question. That both possibilities are mutually dependent and a definite separation of "real background" for picture representations and their integration into a (symbolic and real) network of referring connections is impossible. ©Franz Niegelhell Übers. Sabine Pink |
franz niegelhell über rwanek 1999
german version |
Ralf Wanek bezeichnet sich selbst als "Bildermacher". "Es ist die Suche
nach Spontaneität, nach ungefilterten Verbindungen zum eigenen
Unterbewußtsein, der Versuch, andere Bewußtseinesbenen und Zeitempfindungen
zu erreichen, gegen die Filter des Verstandes und des Wissens zu arbeiten",
so der Künstler. Dies hat aber nichts mit gewollter Naivität zu tun,
sondern beschreibt vielmehr eine suchende und forschende Arbeit mit den
Schichten, Bedingungen und Strukturen von Gefühlen. Diese wiederum scheinen
in Waneks Arbeiten (vor allem auch in den Studien) ebenso zum Material zu
werden wie die Materialien des Malens (Farbe, Papier, Licht, grafische
Elemente) selber. So sind es nicht Ausschnitte einer Realität, die hier
entstehen, sondern strukturelle Studien zur visuellen Realität und ihrer
Wahrnehmung. So wie es den reinen Zufall hier - und im künstlerischen
Arbeiten insgesamt - nicht gibt, ist es vielmehr eine Arbeit mit dem
gelenkten Zufall. "Ich arbeite mit dem Zufall zusammen, was etwas völlig
anderes ist, wie sich dem Zufall auszuliefern". Indem beispielsweise - "in
einem Dialog zwischen Abstraktion und Gegenstand" (Wanek) - figurative
Konturen aufgelöst werden, werden Strukturen für die Wahrnehmung sichtbar
und gleichzeitig ganz eigene Dinglichkeiten geschaffen. Indem
beispielsweise über das Arbeiten mit den Eigenschaften des Malmaterials in
die Dreidimensionalität ausgegriffen wird - Wanek nimmt die Qualitäten des
Materials mit großer Sensibilität wahr und ermöglicht eine solche
Wahrnehmung auch für den Betrachter - kommt es zu vorher nicht gesehenen
Erscheinungen, die sich zu eigenen Realitäten verdichten. "Das Papier gibt
vor, es macht, was es will, ich hole das heraus, was schon in ihm steckt".
Dabei entstehen Bilder, deren Dramatik direkt erfahrbar und überprüfbar
wird.
Dabei wird die Malfläche nicht angegriffen, wie das etwa die "monochrome
Malerei" tat, sondern vielmehr gehen hier dem Bildträger (dem Papier) die
Eigenschaft eines bloßen Bildträgers verloren, ohne daß diese aber
geleugnet wird. Dafür entsteht aber eine Einheit von Farben, Form und
Inhalt (bei einigen Arbeiten erinnernd an Emilio Vedova), die verschiedene
visuelle Einflüsse aus der Kunstgeschichte zwar verraten, aber eigentlich
darüber hinausweisen. Denn diese Art des "Bildermachens" negiert nicht, daß
durch die Bilderflut der digitalen technischen Medien, mit und in denen
pausenlos Bilder erzeugt werden, von den Menschen ganz neue Fähigkeiten des
analytischen Sehens gefordert sind, damit man sich in dieser Welt
orientieren kann. Vielmehr wird hier dieser Umstand zum Ausgangspunkt für
eine sehr haptische, sehr sinnliche und materialbetonte Schule des genauen
Sehens genommen.
©Franz Niegelhell
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english version |
Ralf Wanek calls himself as " maker of pictures, not painter ". " it is the search for spontaneity attained after not filtered connections to the own
subconseius, the attempt, other level of conscious and time feelings against the filters of the understanding and the knowledge to operate ", so the artist. This has to do however nothing with intended naivity, but describes rather a looking up and searching work with the layers, conditions and structures of
feelings. These again seem to become in Waneks work (above all also in the studies) likewise the material like the materials of painting (colour, paper, light, graphic items).
so his art is not a window of a reality, which is developed here, but structural studies for the visual reality and its perception.
As there is no pure coincidence here - and in artistic operating altogether -, it is rather a work with the guided coincidence.
" I co-operate to be delivered with the coincidence, which is completely different from delivery to the coincidence".
By for example - " in a dialog between abstraction and article " (Wanek) - figurative outlines become resolved, structures for the perception are created visibly and at the same time creating its own importance.
By for example over operating with the characteristics of the mark material into three-dimensionality - Wanek takes the qualities of the material with large sensitivity and enables such a perception also for the viewer it leads to beforehand not seen appearances, which compress themselves to own realities.
" the paper gives, it makes, what it wants , I take out, which already is in it ".
Developed in this act are pictures, whose dramatic becomes directly visible and
examinable.
the surface is not attacked, as happened for instance to " mono chrome painting ", but rather gets the charakter of the image carrier (the paper) lost without denying it.
in this process a unit of colours, form and contents (with some work reminding of Emilio
Vedova) is developed, which shows different visual influences from the history of art, but actually get far ahead.
Because this type of the" picture making " is no denying that the picture flood of the digital technical media, with and in which pictures are nonstop produced. Humans quite new abilities of analytic seeing it is required, so that one can orient oneself in this world.
Rather this circumstance is taken here to the starting point for a very haptic, very sensual
and material-stressed school of exact seeing.
©Franz Niegelhell |